ANIMA hatte das Glück in 2022 ein Recherchestipendium vom Senat Berlin zu bekommen.
Unter dem Arbeitstitel BLACK FRIDAY wollten wir zu Börsencrashs intensiv recherchieren und gleichzeitig nach Parallelen in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Gegenwart suchen. Wann folgt der nächste große Crash? Wie sähen die Folgen eines solchen Crashs heute aus?
1. Ausgangspunkt und Anlass
Es gibt wohl kaum ein Zeitdokument, das die Folgen des großen Börsencrashs von 1929 eindringlicher beschreibt, als den Roman „Früchte des Zorns“ von John Steinbeck von 1939. In Steinbecks Schilderungen werden die einschneidenden wirtschaftlichen Umwälzungen in der Großen Depression anhand der prekären Situation einer Familie des mittleren Westens der USA dargestellt. Der Roman spiegelt die damalige soziale, wie auch die wirtschaftliche Realität, mit Themen, die auch heute immer noch überraschend aktuell sind. Er handelt unter anderem vom Klimawandel, der Macht der Banken, der Zerstörung durch unregulierten Kapitalismus, Vertreibung, ethnische Diskriminierung und Klassismus. In „Früchte des Zorn“ werden die Lebensumstände der verarmten Farmerfamilie Joads aus Oklahoma im Zuge der globalen Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre geschildert. Die Joads bewohnen und bewirtschafteten Ackerland seit mehreren Generationen. Aus klimatischen und wirtschaftlichen Gründen müssen sie Kredit aufnehmen, verschulden sich somit bei der Bank, die Schulden und Zinsen können sie nicht zurückzahlen und werden somit zu Pächtern. Die Großgrundbesitzer wollen größere Ackerflächen zusammenlegen, um sie rentabler betreiben zu können. Sie brauchen weder die Arbeitskraft der Farmer, noch nehmen sie Rücksicht auf die emotionale Verbundenheit der Familie zu „ihrem“ Land. Als Traktoren halbe Häuser auf ihrem schnurgeraden Pflugweg zerfetzen, sind viele Farmerfamilien gezwungen ihr Zuhause zu verlassen. Auch die Joads packen Hab und Gut zusammen und machen sich mit vollbeladenem Auto Richtung Westen auf. Im weit entfernten Kalifornien werden, laut Broschüren tausende von Arbeitskräften für die Ernte auf den Plantagen gesucht. Was die Joads nicht wissen, ist, dass sich 100-tausende von Familien auf den Weg gemacht haben und auf den bereits gefüllten Arbeitsmarkt drängen. Den kalifornischen Plantagenbesitzer sind die neu angekommenen Pflücker trotz niedrigster Löhne zu teuer. Die Familien bleiben ohne Arbeit, leiden Hunger und sind schutzlos der Verarmung ausgesetzt.
Relevanz
Dieses Buch schildert anhand eines Schicksals, die durch den Großen Börsencrash ausgelösten Verwerfungen. Dies ist der Ausgangspunkt für unsere Recherche. Wir betrachten, welche Ursachen Crashs bedingen können, wie sich Kursabstürze anbahnen, in welchen Zyklen sie auftreten und mit welchen unmittelbaren und langfristigen Folgen sie sich auswirken. Wir werden ebenso die großen Börsencrashs unsres des letzten Jahrhunderts betrachten. Warum? Der Crash von 1929 wird sich bald zum 100. Mal jähren und die Wahrscheinlichkeit einer neuen Krise ist hoch. Bereits jetzt sind die Auswirkungen der aktuellen politischen Lage auf die globale Wirtschaft der kommenden Jahrzehnte zu spüren. Wir fragen uns, wie werden der kommende Crash und seine Folgen aussehen? Lässt sich der nächste Crash voraussagen? Das kapitalistische Wirtschaftssystem führt regelmäßig und immer wieder zu Abstürzen. Gibt es dazu aktuelle Analysen? Wie könnte nachhaltiges und gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften, als Alternative zum bestehenden System, aussehen?
2. Mitwirkende
Rike Schuberty (bürgerlich Friederike Schubert), Simon Krahl und Simon Bauer arbeiten in der Konstellation als Gruppe ANIMA seit 2016 zusammen. Die performative Installation ANIMA war ihre erste gemeinsame Arbeit und wurde durch den Fonds Darstellende Künste und der Senatskanzlei für Kulturelle Angelegenheiten Berlin-Kofinanzierungsfonds, Residenz Schloss Bröllin e.V. (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern und dem Landkreis Vorpommern-Greifswald) gefördert und entstand in Koproduktion mit der Schaubude Berlin.
Rike Schuberty und Simon Krahl, die den Kern der Gruppe ANIMA bilden, erarbeiteten bereits ihr erstes gemeinsames Bühnenwerk D’ARC VISIONS 2012, über das Aufflammen des Nationalismus in Europa, anhand der Figur Jeanne d’Arc. Im Jahr 2017 folgte das Projekt ANIMA über die Dialektik Mensch und Maschine im Zeitalter der Digitalisierung.
3. Zielsetzung
Unser Ziel ist, bis Ende des Jahres 2022 die Konzeption für dieses neue Bühnenwerk abzuschließen. Langfristig soll unser Team erweitert werden, wir wollen international touren und somit einem breiten Publikum die anstehenden Fragen und Themenkomplexe näher bringen und zum Mit- und Umdenken anregen.
4. Recherche
• Interview:
Den Sozialökonomen Lukas Kriegler (Leipzig)
Kriegler veröffentlichte seine Doktorarbeit 2019 unter dem Titel „Die Sozialontologie ökonomischer Kooperationen: Warum die experimentelle Ökonomik und die Philosophie des Marktes einen Begriff der Gemeinschaftshandlung benötigen„ .
Des Weiteren werden folgende Recherchematerialien Anwendung finden:
- „Die Monetäre Maschine“ von Aaron Sahr (2022)„Geldschöpfung wird bewusst nicht in politischen Diskursen gedacht, weil die Ideologie erfolgreich herrscht, die das Geld de-politisiert. Damit herrscht eine Trennung von Geldwirtschaft und parlamentarisch- demokratischem Willensbildungsprozessen. Ein anderer Wirtschaftsentwurf ist möglich!“
- „Revolution für das Leben – Philosophie der neuen Protestformen“ von Eva von Redecker (2020)
- „Mythos der Geldknappheit“ Maurice Höfgen (2020)„Dieses Buch entlarvt den Mythos der Geldknappheit und skizziert progressive Reformen für eine Zukunft in Prosperität und Nachhaltigkeit ― im Sinne des Gemeinwohls.“
- „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung: Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können“ von Ulrike Herrmann (2016)
- „Schulden – Die ersten 5.000 Jahre“ von David Graeber (2011)
Hinterfragt das Prinzip Schulden. Vor allem aber die Zurückzahlung von Schulden. Fordert globalen Schuldenschnitt/Schuldenerlass.„Das ganze System, der „profitablen Investitionen“ funktioniert ja nur, weil eben nicht alle Kredite mit einem plus an Zinsen zurückgezahlt werden können. Das Risiko gibt es immer, sonst würde das System nicht funktionieren. Für welchen Preis? Und keiner weiß genau, was Schulden eigentlich sind. Ein dehnbarer Begriff.“
